Memorium Nürnberger Prozesse

Wettbewerb | 2022 | Nürnberg
mit RoosGrün

Die Geschichte des Ortes vor dem Ostflügel des Nürnberger Justizpalastes ist bedeutend für die Stadt Nürnberg, die deutsche Gesellschaft und die Weltgemeinschaft. Einer der Grundgedanken unseres Entwurfes lag daher in der räumlichen Erfahrbarkeit dieser Geschichte, welche sich vor allem auf zwei Arten und Weisen stadthistorisch manifestiert. Zum einen weist die Öffnung des städtischen Blocks bis heute auf das Ende eines dunklen Kapitels in der deutschen Geschichte und die daraus resultierenden Zerstörungen im zweiten Weltkrieg hin. Zum anderen stehen der Saal 600 und seine zum Platzraum hin ausgerichtete Fassade symbolisch für die ersten Schritte im gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess besagten historischen Kapitels.

Durch drei bauliche Objekte gelingt dieser stadträumliche Entwurfsgedanke: Ein zylinderförmiger, zweigeschossiger Baukörper steht an der Fürther Straße und lenkt die Aufmerksamkeit von der Verkehrsachse auf den Vorplatz des Memoriums. Ein viergeschossiges Gebäude stellt sich zwischen diesen Vorplatz und das Hofinnere der nachbarlichen Bebauung. Während es dadurch den halbprivaten Raum im Inneren des Blocks vom öffentlichen Stadtraum am Memorium trennt, lässt es durch seine den Abstandsregeln folgende geneigte rückwärtige Fläche die durch Kriegszerstörung entstandene städtebauliche Lücke weiterhin erfahrbar. Auch gewährt der Baukörper durch seine Schlankheit den Blick auf das Gerichtsgebäude mit dem geschichtsträchtigen Saal. Dieser Blick wird von der dritten Form, einem eingeschossigen, auf den Ostbau ausgerichteten Keil, weiter verstärkt.

Die drei Objekte heben sich in ihrer Form und Beschaffenheit vom Kontext ab und nehmen sich gleichzeitig durch ihre transparenten, reflektierenden Materialien und ihre nüchternen Fassaden bewusst zurück. Der historische Ort wird somit nicht grundlegend verändert; er erhält lediglich die räumliche Disposition, die seine städtische Qualität herausarbeitet.

Die vier bestehenden Fahnenmasten werden durch vier Eichen ersetzt, welche zwischen der Mauer und der Sitzbank stehen und aus den vier Ländern der alliierten Richter stammen: die amerikanische Weiß-Eiche, die englische Stieleiche, die französische Pyrenäen-Eiche und die russische Turgenew-Eiche.